Was ist Crowd Management? Crowd Management in Deutschland.
Was ist eigentlich Crowd Management und warum wird das Ganze in Deutschland nicht wirklich praktiziert, während andere europäische Länder in diesen Themen viel weiter sind? Warum laufen wir wieder einmal einer Entwicklung hinterher?
Kann eigentlich jeder Crowd Management?
Diese Fragen haben wir betrachtet und klären sie in dem folgendem Artikel.
Auch behandeln wir, wie Crowd Management definiert wird und welche unterschiedlichen Disziplinen fließen mit ein.
Was ist KEIN Crowd Management oder aber – was ist Crowd Control?
Ein guter Weg für Neueinsteiger sich dem großen Thema Crowd Management zu nähern, ist, erst einmal darzulegen, was Crowd Management NICHT ist.
Unser oben zu sehendes Titelbild zeigt britische Bobbies (Polizei) wie diese Mitte des letzten Jahrhunderts versuchen die Fans einer sehr populären englischen Musikgruppe beim Buckingham Palace im Zaum zu halten. Wir können hier sehr schön sehen, dass die Polizeikette die gebildet wurde um die jungen Damen unter Kontrolle zu bringen, offensichtlich nicht mehr lange standhalten wird. Wie auch – die Kette muss zwangsläufig nachgeben – das ist eine physikalische Gesetzmäßigkeit. Das konnte und kann so nicht funktionieren. Der sich aufbauende physikalische Druck übersteigt bei Weitem die Stabilität einer Sicherungskette aus Menschen. Schon wenige Reihen von nach vorne drängenden Menschen können einen Druck von 3 bis 5 kN erzeugen.
Die Polizei nennt solche Einsatztechniken im Übrigen „Kettling“ also einkesseln. Nach wie vor ist dieses Vorgehen bis heute sehr beliebt.
Nun mag der ein oder andere sicherlich denken: Oh, dass hat nicht funktioniert – lasst uns etwas anderes ausprobieren. Aber nein, Fehlanzeige!
Diese angewandten Techniken ziehen sich wie ein roter Faden bis heute durch die großen Unglücke im Veranstaltungsbereich. Sei es Hillsborough, England 1989 mit 96 Toten oder aber 2010 bei der Love Parade mit 21 Toten. Das ist natürlich schon sehr merkwürdig. Es hat vor 50 Jahren nicht geklappt und heute immer noch nicht, seltsam.
Schon Albert Einstein hat gesagt: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Ergo, wenn wir die Versuchsanordnung nicht ändern, werden wir immer das Gleiche Ergebnis bekommen. Aber in Wirklichkeit ist das Alles überhaupt nicht lustig, sondern ganz im Gegenteil – es ist kann brandgefährlich für jede Menschenansammlung sein.
Tatsächlich wird das was diese Leute dort machen, von einigen für Crowd Management gehalten.
In Wirklichkeit sprechen wir hier jedoch von Crowd Control – also um die Kontrolle einer Menge. Meistens durchgeführt von der Polizei oder von Ordnungsdiensten. Wenn Maßnahmen wie die eben beschriebenen angewandt werden müssen, dann hat das Management bereits versagt. Wie John Fruin schon feststellte, machen solche Lösungsansätze das Ganze nur noch schlimmer, anstatt das Risiko zu mindern. Zu John Fruin kommen wir gleich noch im Detail. Jedoch kann auch festgestellt werden, dass, wenn vernünftig und zur richtigen Zeit eingesetzt, Crowd Control Maßnahmen durchaus Teil des Managementplans sein können.
Kleiner Geschichtlicher Einstieg in das Thema des Crowd Managements
Schon lange beschäftigen Menschen sich mit dem Verhalten von Menschenmassen. Der erste, der zu diesem Thema eine beachtete Veröffentlichung heraus brachte war 1895 der Franzose Gustave Le Bon mit seinem Werk „Psychologie der Massen“. Gustave Le Bon war ein Mediziner, Anthropologe, Psychologe, Soziologe und Erfinder. Er gilt als einer der Begründer der Massenpsychologie, einem Teilgebiet der Sozialpsychologie.
Seine Thesen werden kritisch betrachtet, doch war er einer der ersten der sich der Thematik der „Masse“ annahm. Schon zu seinen Lebzeiten war „Psychologie der Massen“ unter anderen Fachleuten umstritten. Trotz allem nahm sich Jahre später auch Sigmund Freud in seinem Werk „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ des Themas an. Wobei er im Großen und Ganzen die Thesen Le Bons vertrat. Bis heute gab es noch einige bemerkenswerte Veröffentlichungen zu dem Thema. Hier im Detail darauf einzugehen, sprengt ein wenig den Rahmen dieses Artikels.
Im Laufe der Geschichte folgten dann einige Ereignisse und schwere Unglücke, die in der Folge zu dem Crowd Management führten, wie wir es heute kennen. Das kommt daher, dass jedes dieser Unglücke aufgearbeitet wurde. Es gab Untersuchungen und teilweise in der Folge Berichte über das Geschehene. Daraus lernen wir und sind in der Lage schon in der Planungsphase früher gemachte Fehler nicht zu wiederholen.
Definition des Crowd Management
Sehr gerne verwenden wir die Definition von John Fruin, ein Stadtplaner und Ingeneur, der das Ganze um 1993 wie folgt beschrieb:
„Crowd Management ist die systematische Planung und proaktive Umsetzung der räumlichen Organisation von großen Menschen-Ansammlungen auf Basis kontinuierlicher Überwachung und Analyse der Menschenbewegungen und Gruppendynamiken mit dem Ziel der Sicherung, des Schutzes und des Erhalts des Wohlbefindens aller Anwesenden und Beteiligten.“
Einflussfaktoren und Disziplinen im Crowd Management
Im Wesentlichen haben wir die folgenden Disziplinen, die im Crowd Management eine Rolle spielen. Jeder einzelne Unterpunkt sollte bei der Planung von Menschenansammlungen berücksichtigt werden, da jeder dieser Punkte Einfluss auf den nächsten haben kann.
Psychology, Risikomanagement, Notfallplanung, Kommunikation, Design, Flächenberechnung, Kapazitäts-analyse, -berechnung und -bewertung. Monitoring, Raumplanung Führungsmanagement, Projekt Management, Teamführung, Durchflussberechnungen, Managen von Personen und Individuen. Gesetzliche Bestimmungen.
Hier erkennen wir, wie vielschichtig, umfassend und komplex das ganze Thema eigentlich ist.
Was ist mit Crowd Management in Deutschland?
Ganz einfach, es ist praktisch nicht existent.
Merkwürdigerweise meinen viele Fachleute, gerade aus dem Veranstaltungsbereich, sie würden Crowd Management praktizieren. Oftmals handelt es sich hierbei um Menschen mit eher technischen Hintergründen, wie Meister für Veranstaltungstechnik, Produktions oder Bühnenmanagern. Auch tummeln sich in diesem illustren Kreis neuerdings Behördenvertreter oder sogar Sanitäter die per se erst einmal garnichts mit Veranstaltungssicherheit oder Crowd Management zu tun haben und besetzen dort sogar leichtsinnigerweise Schlüsselpositionen. Wenn wir uns die obigen Auflistung anschauen, sehen wir dort nicht wirklich technische Inhalte. Wie muss eine Bühne verkabelt werden oder aber wie bekomme ich Licht von A nach B, sind eher Themen für diese technisch versierten Techniker – und das ist auch gut so.
Diese Menschen mögen in Ihren Fachthemen und Fachbereichen sehr gut sein, verwechseln jedoch meistens Sicherheit oder auch Crowd Management mit dem Erfüllen behördlicher Auflagen, Gesetzen oder Vorschriften. Sicherheit resultiert jedoch nicht zwangsläufig aus Auflagen oder Vorschriften. Viele denken auch, sie könnten all die oben beschriebenen Disziplinen in einem Wochenendlehrgang erlernen. Dem ist nicht so und darüber hinaus ist es eine sehr gefährliche Annahme, die durchaus die ein oder andere Veranstaltung massiv gefährden kann. Wie wir in der Vergangenheit sehen konnten.
Das europäische Ausland ist in dieser Thematik weitaus fortschrittlicher unterwegs. Das Crowd Management Team des Glastonbury Festivals gehört sicher zu den besten Crowd Managern der Welt. Doch das hat seinen Preis. Anders ausgedrückt: Spezialisten und Qualität haben ihren Preis. Zur Zeit sind die großen deutschen Veranstalter nicht bereit dafür Geld in die Hand zu nehmen – und unsere Behörden schon garnicht. Allzu oft werden dort Planungs- und Koordinierungsaufgaben an Personen vergeben, die einen der oben angesprochenen Lehrgänge besucht haben. Im Ergebnis wundern sich dann wieder Alle, dass es nicht funktioniert oder das etwas schief läuft. Es ist jedoch erst einmal günstiger. Wobei „günstig“ hier nicht das wirklich treffende Wort ist: „Billig“ trifft es da schon besser. Letztendlich ist es auch egal – die gerichtlichen Mühlen mahlen ja bekanntlich bei solchen Themen sehr langsam oder auch garnicht.
Auf unserem YouTube Kanal gibt es diesen Artikel auch als Video: Was ist Crowd Management?